Sinn & Zweck

Dieser Blog dient der Vermittlung von Informationen zum Projekt Bauhaus + Shaker = Dialog, das als praktischer Teil des Phd-Vorhabens "form follows faith" an der Bauhaus-Universität Weimar durchgeführt wird. Ort des Projektionsprojektes ist das Meisterhaus Feininger in Dessau. Das Haus wird seit 1993 von der Kurt Weill Gesellschaft genutzt und ist in jedem Jahr, zusammen mit anderen Spielstätten in der Stadt, Schauplatz des Kurt Weill Festes. Anlässlich der Eröffnung der rekonstruierten Meisterhäuser Gropius und Moholy-Nagy, wird das Projekt vom 16.5. bis 23.5.2014 jeweils von 20 bis 22Uhr an der Fassade des Hauses zu sehen sein.
Meisterhaus Feininger, 2013

Projizieren

Der Akt des Projizierens beschreibt zum einen die Darstellung eines vergrößerten Bildes auf einer Fläche und zum anderen die Verlagerung eigener Wünsche, Erwartungen und Gefühle auf Objekte, Tiere oder andere Personen.
Projektion, 2007

Wirklichkeit

Es gibt keine absolute oder objektive Wirklichkeit, ebenso wenig, wie es eine absolute Wahrheit gibt. Wirklichkeit ist immer individuell, arbiträr und vergänglich. Zu denen, die jedoch professionell nach materieller Wirklichkeit suchen und diese kreieren, gehören Gestalter. Wenn es konkret um Räume geht, in denen wir leben und arbeiten, dann sind es Architekten, die diese Wirklichkeit schaffen. Dieser kreative Akt und der damit verbundene unbedingte Wille des Erschaffens und Verbesserns führt mitunter zu Projekten, die mehr Projektion als Wirklichkeit sind.

Bauhaus Moderne - eine Projektion

Das Experiment Bauhaus wie es unter Walter Gropius entwickelt und von 1919 bis 1933 Bestand hatte, ist ein prominentes Beispiel für eine projizierte Wirklichkeit. Ziel des Bauhauses war nichts Geringeres als die "Gestaltung von Lebensvorgängen". Es ging nicht um Stuhl, Tisch oder Lampe. Es ging um den Stuhl der an einem Tisch steht, auf diesem steht die Lampe und alles zusammen steht in einem Raum, der wiederum Teil eine Hauses ist in dem Menschen leben. Das Haus steht in einer Stadt, die Stadt gehört zu einer Region und letztendlich zu einem Land und damit zu einem Kulturkreis. All das galt es zeitgemäß zu gestalten. Der Anspruch der ganzheitlichen Gestaltung am Bauhaus lag in dem Bestreben Wohn- und Arbeitsorte zu schaffen, die ein gesundes, hygienisches, bezahlbares und demokratisches Leben für Alle unter den gegebenen sozialen, politischen und finanziellen Bedingungen ermöglichen sollten. Dieses Ziel verwirklichen wollend, war das Bauhaus als Schule, ein Ort an dem das große Ganze immer im Fokus stand und alle Zweige der gestalterischen Disziplinen zu einem gemeinsamen Stamm gehörten. Gropius entwarf nicht nur die Ausbildungsstätte für die Gestalter der Zukunft, er wurde zudem von der Stadt beauftragt, Wohnhäuser für die bekanntesten Meister der Schule zu errichten. Zu diesen zählten 1926 bei Erstbezug der sogenannten Meisterhäuser Gropius selbst, Moholy-Nagy+Feininger, Muche+Schlemmer sowie Kandinsky+Klee. Die drei genannten Paarungen teilten sich je eine Doppelhaus. Allein dem Direktor Walter Gropius stand ein freistehendes Einfamilienhaus zu. Das Architekturbüro Gropius entwickelte sowohl die Gestalt der Gebäude als auch Vorschläge zur farblichen Innengestaltung. Die Möblierung war jedem freigestellt. Es ist jedoch anzunehmen, dass Gropius davon ausging, die Bewohner dieser Villen des modernen Bauens würden sich auch im Interieur an der Moderne orientieren und ganz konkret auf die von Bauhaustudenten und -lehrern entworfenen Ausstattungsgegenstände zurückgreifen. Dem war jedoch meist nicht so. Die Einrichtung folgte den individuellen Vorlieben. Bei Manchem stimmten diese mit der Formensprache des Bauhauses überein, bei der Mehrheit war das jedoch nicht der Fall. Besonders Feininger, Kandinsky und Klee umgaben sich mit Objekten, die so gar nicht zum Bild des Bauhausinterieurs passen sollten. Couch, Teppich, Ohrensessel, Wanduhren und Tischtücher gehören zu den auf historischen Fotos festgehaltenen Wohnbegleitern. Dessen ungeachtet nutzte Gropius die gebauten Manifeste seiner Vision einer besseren Zukunft, für seine Vermittlungszwecke und ließ sowohl filmische Dokumentationen als auch Bild/Textreportagen über das Leben in den Meisterhäusern anfertigen. Bereits zur Eröffnungsfeier des Bauhausgebäudes am 4. Dezember 1926 stand z.B. das Direktorenhaus für Besucher offen. Ise Gropius führte durch das Haus und beantwortete Fragen zu den Details. Kurz darauf folgten Filmaufnahmen vom Leben in den Meisterhäusern, angefertigt von der Humboldt-Film aus Berlin, die 1928 veröffentlicht wurden. Standbilder aus dieser Dokumentation nutzte Gropius zur Bebilderung seines Buches "Die Bauhausbauten in Dessau". In diesem Buch waren mehrheitlich Innenaufnahmen aus seinem bzw. aus der Haushälfte von Moholy-Nagy zu sehen. Die Einrichtungsgegenstände in diesen beiden Häusern entsprachen den Idealvorstellung Gropius und eigneten sich daher besonders, die Forderung nach ganzheitlicher Erneuerung von Lebensumgebungen zu illustrieren und zu untermauern. Auch Führungen für lokale Hausfrauenvereine durch einen Teil der Häuser, sollten für ein besseres Verständnis für die Bauhausideen werben. Die Vorführung des ausklappbaren Bügelbretts, der Tellerwascheinrichtung sowie der bequemen Zubereitung von Tee oder Kaffee direkt im Wohnzimmer von der Couch aus, möglich durch im Raum angebrachte Wasserhähne bzw. Steckdosen, waren für Gropius geeignete Methoden, zukünftige Käufer von den Vorzügen seiner Architektur zu überzeugen. Bei diesen Demonstrationen war es natürlich notwendig, dass in den gezeigten Räumen nicht nur die modernste Haustechnik sondern auch die modernsten, sprich vom Bauhaus gestalteten Möbel und Einrichtungsgegenstände zu sehen waren. Durch diese gezielte und ausgewählte öffentliche Zurschaustellung des Lebens in den Meisterhäusern, erschuf Walter Gropius ein Idealbild vom modernen Leben, das sich bis heute in den Köpfen gehalten hat: Wer am Bauhaus arbeitet und in Bauhausarchitekturen lebt, umgibt sich wohl unweigerlich und ausschließlich mit Bauhausprodukten im professionellen wie auch privaten Umfeld. Zeitschriften wie "Schöner Wohnen" halfen über die Jahrzehnte hinweg, dieses Bild zu bewahren. So ist es nicht verwunderlich, wenn Besucher der heute museal genutzten Meisterhäuser in Dessau, davon ausgehen, sie würden im Inneren und Äußeren "Bauhaus" zusehen bekommen. Die Enttäuschung ist groß, wenn genau das eben nicht der Fall ist: wenn eben kein Bauhausinterieur präsentiert wird und oft noch größer wenn vermittelt wird, dass auch in Zeiten des historischen Bauhauses nur in wenigen Fällen eine dem Bauhaus entsprechende Einrichtung der Häuser vorzufinden war. Dem Umstand, dass einige Bauhäusler, insbesondere Lucia Moholy, prominente Vertreterin des Neuen Sehens, und die Familie Feininger sehr an Fotografie interessiert waren, ist es zu verdanken, dass historisches Fotomaterial vorliegt, auf dem die Diskrepanz zwischen der idealen Wirklichkeit im Sinne des Architekten und der gelebten Realität der Nutzer belegt ist. Von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass es neben Erich Consemüller eben gerade auch Lucia Moholy war, die im Auftrage des Architekten Gropius Aufnahmen anfertigte. Die Fotografien, die zur Veröffentlichung kamen, wurden nach den Wünschen von Gropius retuschiert, um störende Details zu beseitigen. Warum war ihm dieses Ideal so wichtig? Gropius verfolgte das Ziel, die Lebensbedingungen in den Städten als Ganzes zu verbessern. Dazu gehörte jedes Detail, angefangen bei der Stadtplanung, über die Häuser bis hin zur Stehlampe im Wohnzimmer. Es ist davon auszugehen, dass sich Gropius nicht der Illusion hingab, jeder würde diesem Ideal uneingeschränkt folgen. Jedoch suggeriert die Präsentation eines Gesamtzusammenhangs immerhin die Möglichkeit, der neuen Gestaltung in Gänze zu folgen.
Meisterhaus Kandinsky/Klee, 2013

Shaker Ästhetik - eine Projektion

Nicht nur Architekten haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine ganz bestimmte Wirklichkeit zu schaffen und zu vermitteln. Auch Historiker und Sammler stehen mitunter unter Verdacht ihre eigene Haltung in den Vordergrund zu rücken. Ein solcher Fall ist das Beispiel von Edward Deming Andrews. Als Historiker, Sammler und Händler von antiken Möbeln, entdeckte Andrews in den 1920er Jahren das Potential der scheinbar dem Untergang geweihten protestantischen Glaubensgemeinschaft der United Society of Believers in Christ's Second Appearing, besser bekannt als Shaker. Die Shaker sind eine christliche, kommunistische, monastische und zölibatäre Glaubensgemeinschaft und gelten als die erfolgreichste, weil langlebigste utopische religiöse Gemeinschaft in den USA. Aus der Notwendigkeit beschränkter finanzieller Mittel heraus, waren sie zur Zeit ihrer Gründung, 1776, gezwungen, die von ihnen benötigten Alltagsgegenstände entweder aus eigenen Beständen den Bedürfnissen anzupassen und aufzubrauchen oder aber selbst herzustellen. Aus dem Streben nach Perfektion in Herstellung und Benutzbarkeit, dem Verständnis von Arbeit als Dienst an Gott und vor allem aus dem Glauben ein Leben im tausendjährigen Reich des Himmels auf Erden zu führen, entstanden Gegenstände des täglichen Bedarfs, die anfänglich nur zur eigenen Verwendung, später (besonders ab 1830) auch zum Verkauf hergestellt wurden. Mit den gesellschaftlichen Veränderungen in den USA ab Mitte des 19. Jhd, z.B. der Einrichtung eines Wohlfahrtssystems und der zunehmenden Industrialisierung und den damit einhergehenden Arbeitsmöglichkeiten sowie der daraus resultierenden Konkurrenz für die Shaker, begann die Zahl der Mitglieder in den Gemeinden, die über die Neuengland Staaten bis nach Kentucky verteilt lagen, langsam aber stetig zu sinken. Besonders der Verlust bzw. das Fehlen männlicher Shaker führte zu Problemen in der auf Produktion eingestellten Gemeinschaft. Um 1930 setzte die Hauptphase der Gemeindeauflösungen ein. Zu eben dieser Zeit intensivierte Edward Deming Andrews seine Bemühungen um die Shaker. Er kaufte Möbel, sammelte und verkaufte, organisierte Ausstellungen und ließ von dem Fotografen William F. Winter Jr. systematisch Aufnahmen in den Shakergemeinden anfertigen. Sowohl für die Fotografien als auch für die von ihm kuratierte Ausstellungen, schuf er puristische Zimmereinrichtungen, die bei den Shakern, die entgegen vieler Annahmen sehr wohl mit der Zeit gehen, so nicht mehr vorhanden waren bzw. vielleicht sogar nie Bestand hatten. Alles „Überflüssige“ wurde entfernt, so dass eine Atmosphäre der Aufgeräumtheit und Reduzierung entstand. Für ihn war das puristische, perfektionistische, von allem Unnötigen befreite und scheinbar einfache Objekt, exemplarisch für die Shaker. Sein beschränkter Blick ignorierte die verschiedenen Entwicklungsphasen der Shaker. In den folgenden Jahrzehnten prägte Andrews die Rezeption der Shaker in einem solch großen Maße, dass bis heute, 80 Jahre nach einer ersten großen Ausstellung 1933 im New York State Museum in Albany, New York, das Bild der schlichten Shakereinrichtungen weiterhin vorherrscht. Dass die Wirklichkeit anders aussah, zeigen Fotografien, die von den Shakern selbst aufgenommen bzw. in Auftrag gegeben wurden und z.T. als Postkarten in Umlauf kamen. Selbst William F. Winter, jr. fertigte solche ungestellten Aufnahmen an. Die Wohn- und Arbeitsräume waren eben nicht immer frei von weltlichen Gegenständen. Im Gegenteil, im Laufe der Jahre hingen Bilder an den Wänden, es gab Polstermöbel, Zeitschriften wie "Better Homes and Gardens" lagen auf dem Tisch, die Damen trugen, ganz im Stil der Viktorianischen Epoche, Hochsteckfrisuren und so manche Innenansicht verbreitet eher einen Charme von Plüsch und Teppich als einen kühlem Purismus.
l:puristische Einrichtung; r:Viktorianisches Shaker Interieur, 2011

Projektions-Projekt

Im Rahmen des Phd-Vorhabens mit dem Titel "form follows faith", geht es um Kausalität von Motivation und Ergebnis im gestalterischen Handeln. Dass die Überzeugung oder der Glaube des Gestalters eine maßgebliche Rolle im Formungsprozess spielen, wird vorausgesetzt. Es geht vielmehr um die Frage, wie dieser Einfluss am fertigen Objekt ablesbar ist. Damit bewegt sich das Phd-Vorhaben im Bereich der Material Culture Studies, die in der Arbeit mit dem neueinzuführenden Begriff "Objektkultur" bezeichnet werden. Als Fallbeispiel für den Zusammenhang zwischen Glaube und Gestaltung werden die Shaker genauer betrachtet. Dass es zwischen den Shakern und dem historischen Bauhaus Gemeinsamkeiten zu geben scheint, zeigen die beiden vorangestellten Abschnitte. Unabhängig der Tatsache, dass in beiden Fällen eine starke Persönlichkeit für die Formung eines zumindest einseitigen Bildes verantwortlich war, scheint es eine noch offenkundigere Verbindung zu geben. Eine vereinfachte Designgeschichte stellt immer wieder einen kausalen Zusammenhang zwischen den Shakern des 19. und dem Bauhaus des 20. Jahrhunderts her, der auf einer primär phänomenologischen Betrachtungsweise beruht, den beiden Phänomenen jedoch nicht gerecht werden kann. Ziel des gestalterischen Projektes soll es sein, die durch gezielte Projektion geschaffenen Missverständnisse und Stereotypen bewusst zu machen. Es gab nicht "Das Bauhaus" und es gab und gibt auch nicht "Die Shaker". Das allgemein bekannte und verbreitete Image in beiden Fällen, ist Ergebnis einer Projektion und damit eine konstruierte und projizierte Wirklichkeit. Das Projizieren der eigenen Haltung auf Objekte bzw. auf ganze Ensembles ist Ausgangspunkt für eine Intervention an prominentem Ort. Die Meisterhäuser in Dessau sind jährlich Anziehungspunkt für tausende mehr oder weniger vorinformierte Besucher. Den meisten gemein ist die Erwartungshaltung, im Inneren der Häuser das historischen Wohnambiente der Bauhäusler von damals vorzufinden. Da dies nicht der Fall ist und auch nicht sein kann, bietet das Projekt zumindest die Möglichkeit einen Teil der Erwartungshaltung zu erfüllen. Durch großformatige Projektion von historischen Aufnahmen auf die Fassade des Meisterhauses Feininger, heute Sitz der Kurt Weill Gesellschaft, soll dem Besucher die Gelegenheit gegeben werden, sich in den Raum von Gropius und Moholy-Nagy aber eben auch von Feininger, Kandinsky und Klee hineinzubegeben. Die designhistorische Verknüpfung zwischen den Shakern und dem Bauhaus aufgreifend, werden im Wechsel Abbildungen von Shaker Interieurs gezeigt. Dazu werden abwechselnd idealtypische sowie eben auch untypische Aufnahmen aus den beiden Kontexten: Bauhaus und Shaker auf die Fassade projiziert. Zur Ergänzung der visuellen Installation, ist eine Audiokomponente vorgesehen. Über Lautsprecher werden passend zur Projektion der Bauhaus-Interieurs Textstellen z.B. aus Briefen der Bauhausmeister eingespielt, in denen sie über ihr Leben in den Meisterhäusern berichten.
"Jo ist überall", Projektionsprojekt mit Karl W. Große, 2007